Gleichstellung
In Zug hat die erste inklusive Landsgemeinde stattgefunden
Die Silent Reading Party im «Zündhölzli» findet jeweils jeden ersten Montag im Monat statt. Mit dabei auch Barbara Huber (links) und Fränzi Grunder (2.v.r.) Foto: RC
Mit anderen Menschen zusammenkommen, um allein zu lesen und dabei nicht miteinander sprechen – das ist Silent Reading. Stilles Lesen ist im Trend und kann jetzt auch in Zug erlebt werden.
Lesen, Schreiben und Rechnen gelten als die wichtigsten Kulturfertigkeiten eines Menschen. Diese Fähigkeiten helfen uns im Berufsleben, sind aber für viele auch Teil ihrer Freizeit. In dieser lesen wir Bücher, Zeitungen, Zeitschriften oder auch Gebrauchsanweisungen. Traditionell auf Papier oder als digitale Form auf dem Computer, Smartphone oder als E-Book.
«Ein gutes Buch» lesen wir gerne entspannt zu Hause oder am Strand. So gesehen hat ein Buch etwas Individuelles. Wir lesen uns einen Titel aus, eine Schriftstellerin oder einen Schriftsteller, einen Roman, ein Sachbuch oder einen Krimi – und lesen dann für uns allein.
Dass muss nicht sein, sagen Barbara Huber und Fränzi Grunder, beide Kollektivmitglieder im Begegnungsraum «Zündhölzli» in Zug. «Als Kind haben wir in der Schule zusammen gelesen. In den Campingferien, wenn es geregnet hat, sind wir doch auch lieber mit anderen Kindern zusammengesessen, obwohl jedes für sich gelesen hat. Warum sollten wir dies nicht auch als Erwachsene tun?» fragt Barbara Huber. «Viele Menschen kommen zusammen, um zu reden. Wir legen jetzt den Fokus aufs Lesen», ergänzt Fränzi Grunder.
Silent Reading heisst die neue Art zu lesen – gemeinsam statt allein. 2009 im amerikanischen Seattle entstanden, erlebt der stille Lesetrend auch in der Schweiz Konjunktur. «Es ist einfach zu erklären: Ein paar Leute treffen sich an einem Ort. Alle haben ein Buch, einen Comic, ein E-Book oder eine Arbeit von der Uni mit dabei, die sie lesen wollen. Die Mobiltelefone werden stummgeschaltet und dann wird eine Stunde gelesen, jede und jeder für sich, aber halt doch in Gesellschaft», sagt Barbara Huber. Eine halbe Stunde vor Silent Reading machten sich die Leute bekannt, erklärt Fränzi Grunder. «Dann wird eine Stunde in Ruhe gelesen. Nachher spricht man vielleicht darüber oder trinkt an unserer Bar zusammen etwas.»
Silent Reading findet jeden ersten Montag eines Monats, zwischen 18 und 20 Uhr im «Zündhölzli» statt. Das Angebot habe schon seine Anhängerinnen und Anhänger gefunden. «Aktuell finden eher Frauen den Weg zu uns», sagt Fränzi Grunder. Sie könnte sich vorstellen, das monatliche gemeinsame Lesen auch mal an den nahen See zu verlegen. Die Örtlichkeit müsse primär bequem für die Lesenden sein. «Natürlich muss Ruhe möglich und das Ambiente freundlich sein.» Wenn der Anlass im «Zündhölzli» stattfindet, bittet ein Hinweis an der Eingangstür die Laufkundschaft um Ruhe.
Mitmachen könnten aber alle, die bereit dazu seien, sagt Barbara Huber. «Der Anlass ist kostenlos, es benötigt keine Anmeldung. Wer an diesen Montagabenden um 18 Uhr bei uns vorbeikommt, kann spontan mitlesen.» Im Begegnungsraum mit Barbetrieb nahe des Zuger Bahnhofs finden sich auch Gestelle mit Büchern und Zeitungen, so dass es nicht unbedingt nötig ist, ein Buch, eine Zeitschrift oder eine Zeitung mitzubringen.
Die Auswahl des Lesestoffs sei individuell, meint Barbara Huber weiter. «Ich zum Beispiel nehme immer ein neues Buch mit, das ich bisher noch nicht gelesen habe. Wenn ich dann eine Stunde darin gelesen habe, weiss ich nachher, ob ich es auch wirklich fertiglesen will.» Auch Fränzi Grunder nimmt immer einen neuen Lesestoff mit. «Aber wir haben einen Stammleser, der immer das gleiche Buch bei sich hat, weil er es von Beginn bis zum Ende innerhalb der Silent-Reading-Gruppe lesen will.» Es sei eine der Erfahrungen, die sie persönlich gemacht habe und sehr spannend finde: «Man lernt andere Menschen durch ihr Leseverhalten kennen.»
Dass die Silent Reading Party, so heisst der Anlass offiziell, bei ihnen eine Stunde Lesen enthalte, sei einfach einmal festgelegt worden, sagt Barbara Huber. «Andere machen zwei Stunden mit Pause dazwischen. Es gibt auch Silent-Reading-Anlässe mit Pianomusik.» Sie selbst finde die Gemeinsamkeit am schönsten. «Ich finde es eine entspannende Art, eine Woche zusammen beim Lesen zu beginnen.»
Für Fränzi Grunder ist noch etwas anderes wichtig: «Das Innenleben eines Buches ist langlebiger als das hektische Anschauen von TikTok. Wir lernen so auch wieder, mehr Vorbild für unsere Kinder zu sein, was die sinnvolle Nutzung von Medien angeht.»
Renato Cecchet
Die nächste Silent Reading Party in Zug findet am Montag, 5. August, 18 Uhr, statt. Alle Veranstaltungen unterwww.zündhölzli.org
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