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LucianHofstetterläuft für einenguten Zweck
Bariton Michael Schwarze verbucht mit dem Engagement in Tel Aviv einen ersten wichtigen internationalen Auftritt. Foto: Alexander Ponet
Michael Schwarze befindet sich aktuell in den Vorbereitungen zu einer Opernaufführung in Tel Aviv. Der Bariton gibt uns einen Einblick in das Befinden inmitten des Nahostkonflikts in Israel. Er erzählt, wie er sein erstes internationales Engagement persönlich angeht und wie sich das Leben als Reisender für seine Passion anfühlt.
Wie empfinden Sie das Leben in Tel Aviv, Israel?
Es ist eine Medaille mit zwei Seiten. Die Menschen sind sehr herzlich, Tel Aviv als Stadt ist eine lebendige, pulsierende Metropole – bis die Sirene losgeht und vor einem Luftangriff warnt. Dann rennen alle in den Schutzbunker und für eine Viertelstunde steht alles still. Aber nachher geht das Leben normal weiter.
Wir hören hier in der Schweiz von den kriegerischen Auseinandersetzungen, von den Aktionen Israels gegen Hamas oder Hisbollah – oder umgekehrt. Wie bemerkt man in Tel Aviv, dass man sich im Krieg befindet?
Ich erlebe eine völlig andere Lebensgrundhaltung. Die Menschen hier leben viel mehr für den Moment. Sie treiben viel Sport oder geniessen den Augenblick am Strand. Als Angriffe aus dem Iran erfolgten, wurde eine grössere Eskalationsstufe befürchtet. Ich sehe meine Aufgabe darin, durch die Musik das tägliche Leben der Menschen zu bereichern.
Sie bereiten sich aktuell auf die Aufführung der Belcanto-Oper «L’Elisir d’Amore» von Gaetano Donizetti in der New Israeli Opera vor. Haben Sie jemals daran gedacht, das Engagement wegen dem Konflikt abzubrechen?
Nicht wirklich. Ich befinde mich im engen Austausch mit der Opernorganisation, die mich auf dem Laufenden hält. Sollten die Organisatoren sagen, die Lage sei kritisch, wäre es natürlich etwas anderes. Aber das ist nicht der Fall.
Wie erleben Sie die Vorbereitungen zur Aufführung?
Ich empfinde eine sehr grosse Vorfreude, man wird hier mit offenen Armen empfangen. Es herrscht eine herzliche Stimmung und man fühlt sich sehr willkommen. Man spürt, dass alle Teilnehmenden Musik machen und auftreten wollen. Alle sind pünktlich vor Ort, zeigen sich interessiert. Ich wurde von vielen gefragt, warum ich aus der Schweiz nach Tel Aviv reise, um mitzumachen. Als ich am Flughafen ankam, bin ich mit einem Extraservice abgeholt worden. Am 12. Oktober war mit Jom Kippur der wichtigste Feiertag in Israel. Mir wurde immer wieder darauf aufmerksam gemacht, ich solle dann genug einkaufen, weil am Feiertag selbst alle Geschäfte geschlossen haben. Mir gefällt dieses lebendige Miteinander. Es entspricht meinem Charakter.
In «L'elisir d'amore» versucht der Bauernjunge Nemorino mit Hilfe eines vermeintlichen Zaubertranks die Liebe der Gutsherrin Adina zu gewinnen. Sie verkörpern Belcore, den Rivalen von Nemorino um die Gunst von Adina. Wie gefallen sie sich in dieser Rolle des Bösewichts?
Ich interpretiere meine Rolle eher als die des Antihelden. Ich, der Bariton, bin der selbstbewusste Lebemann und bin sehr von mir überzeugt. Nemorino, der Tenor, ist eher schüchtern, selbstzweifelnd. Die Inszenierung ist so angelegt, dass wir die unterschiedlichen Charakterzüge der beiden Rollen tänzerisch zum Ausdruck bringen können.
Wie wichtig ist diese Rolle für Sie?
Es ist die bisher wichtigste Rolle in meiner Karriere, ganz klar ein Meilenstein. Ich spiele in einer internationalen Produktion einer bekannten Oper eine Hauptrolle in einem grossen Opernhaus mit grossem Orchester. Das freut mich sehr.
Wie sind Sie zu diesem Engagement gekommen?
Im Dezember 2023 fand ein Agenturvorsingen in Wien statt. 12 bis 15 andere Agenturen aus England, Frankreich oder der Schweiz waren vor Ort. Im Februar erhielt ich dann die Anfrage, ob ich im Oktober und November Zeit für die Aufführung in Tel Aviv hätte. Michael Eisenstadt, der die New Israeli Opera aufbaute, hat mich in Wien gehört. Leider ist er inzwischen verstorben.
Sie sind mit 32 Jahren noch jung im Geschäft, haben aber schon ein grosses Repertoire und Auftritte vorzuweisen. Wie gut ist die Lage im Opern- beziehungsweise Klassikgeschäft als Bariton?
Auf dem Schweizer Markt präsentiert sich die Lage für mich sehr gut. International ist das Ganze natürlich eine andere, grössere Nummer mit viel mehr Konkurrenz. Aus Asien zum Beispiel. Kontakte und Beziehungen sind auch in unserem Business sehr wichtig. Die Hauptsache neben der musikalischen Qualität ist eine professionelle Arbeitseinstellung.
Wie bereiten Sie sich auf eine Rolle wie jetzt den Belcore vor?
Im Februar wusste ich, dass ich die Rolle singen werde. Deshalb habe ich mir sofort die Partitur zu «L'elisir d'amore» gekauft und den original-altitalienischen Text selbst übersetzt. So beginne ich ein Gespür für die Oper zu entwickeln. Zuerst habe ich die Rolle für mich alleine am Klavier geübt. Danach habe ich mit dem Pianisten des Opernhauses das Werk musikalisch und stilistisch erarbeitet. Mit einem Spezialisten für italienisches Repertoire habe ich die Phrasierung und mit meiner Gesangslehrerin die technischen Passagen gelernt. Die Vorbereitung für so eine Oper ist zeitintensiv. Gleichzeitig habe ich ja auch noch andere Projekte am Laufen. Das Auswendiglernen einer neuen Rolle kann man mit einem Muskel vergleichen, der sportlich nach und nach aufgebaut wird. Wir sind darauf trainiert, möglichst viel Musik verarbeiten und umsetzen zu können.
Sie haben Ihre Ausbildung in Zürich und Basel gemacht, treten in der Schweiz oder wie jetzt in Tel Aviv auf. Wie gefällt Ihnen das Leben als Reisender für Ihre Berufung?
Früher wollte ich unbedingt auswandern. Inzwischen schätze ich es, dass die Schweiz mein Wohn- und Rückzugsort ist. Ich habe mich schon immer für andere Kulturen interessiert. Jetzt habe ich die Möglichkeit, meine Leidenschaft, das Singen, mit dem Reisen zu verbinden und so viele neue Leute kennenzulernen. Es ist gut möglich, dass ich eines Tages ein grösseres Engagement in einer europäischen Metropole annehme, in Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien, und dann vielleicht dorthin umziehen werde.
Was verbindet Sie noch mit Zug?
Ich pflege immer noch Freundschaften aus meinen Schulzeiten und sportlichen Aktivitäten. Da meine Familie auch in Zug wohnt, bin ich mit der Region sehr verbunden. Im September bin ich im Rahmen des Jubiläumskonzerts für den Zuger Komponisten Carl Rütti in der Johanneskirche in Zug aufgetreten.
Was sind ihre nächsten Engagements nach der Oper in Tel Aviv?
Im Dezember singe ich ein Konzert in Thalwil ZH mit einem Puccini-Programm. Im Januar nehme ich am Tenor Viñas Wettbewerb in Barcelona teil, der Lied, Oper und Oratorium vereinigt. Auf diese Herausforderung freue ich mich schon jetzt.Des Weiteren laufen schon Gespräche für weitere Engagements, unter anderem hier in Tel Aviv.
Renato Cecchet
Zur Person
Michael Schwarze ist in Zürich geboren. Er besuchte die Kantonsschule in Menzingen und das Kollegium St. Michael in Zug. Das klassische Musikstudium machte er in Basel und Zürich. Der Bariton ist 32 Jahre alt. Er ist Mitglied des See-Club Zug. Michael Schwarze trifft man in der Freizeit beim Wandern in den Bergen oder beim Skifahren.
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