Susanne Meierhans
reiste vor 51 Jahren als erste Schweizerin an den Südpol. Ihre spannende Geschichte finden Sie hier.
Am 29. November ist es endlich soweit. Nach jahrelangem Hin und Her kommt die Konzernverantwortungsinitiative vor das Schweizer Stimmvolk. Doch wie soll man nun stimmen? Wir haben Thomas Aeschi und Barbara Gysel dazu befragt.
Der Kanton Zug gilt als Wirtschaftsstandort schlechthin. Tiefe Steuern locken viele Unternehmen an. Deren Absichten: Teils eher schlecht als recht. Das meinen zumindest einige Befürworter der sogenannten Konzernverantwortungsinitiative (KOVI). Sie wollen, dass sich Schweizer Unternehmen, die im Ausland tätig sind, zwingend an Menschenrechte und Umweltstandards halten müssen.
Grundsätzlich klingt es doch gut, dass sich Schweizer Firmen mehr für die Umwelt und die Menschenrechte einsetzen sollen und geradestehen müssen, wenn sie im Ausland Schäden verursachen. Oder birgt die Initiative zu grosse Gefahren für den Wirtschaftsstandort Schweiz? Wir haben zwei Zuger Politiker dazu befragt, was die Vor- und Nachteile der Initiative sind und welche Auswirkung sie auf den Kanton Zug haben könnte.
Präsidentin der SP Kanton Zug und Kantonsrätin Barbara Gysel ist im Befürworter-Komitee der Konzernverantwortungsinitiative. Sie hält die Initiative für einen wichtigen Schritt, der eigentlich längst überfällig ist: «Es sind sich alle einig, dass es die Norm sein soll, Menschenrechte und Umweltstandards zu schützen. Wirtschaftliche Freiheit bedingt Grenzen und Verantwortung bedeutet Sorgfalt.» Die Initiative will, dass Unternehmen bei Vergehen an Umwelt und Menschenrechte sanktioniert werden. So sollen Firmen präventiv für Schutz und Sicherheit sorgen und nicht erst im Nachhinein, wenn der Schaden bereits angerichtet ist. Mit der Verfassungsänderung würden Unternehmen künftig Verantwortung übernehmen, wenn Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland missachtet werden. Für Schweizer Unternehmen sollen so, egal wo sie auf der Welt wirtschaften, die gleichen Regeln gelten. Kurzum: Die Initiative solle das Selbstverständliche, das Unternehmen sich an Umweltstandards und Menschenrechte halten, noch stärker in die Praxis einbinden.
Thomas Aeschi, Nationalrat und Fraktionspräsident der SVP findet, die KOVI ist der falsche Weg, um Umweltstandards und Menschenrechte zu schützen. Insbesondere der Punkt, dass eine Klage vor einem Schweizer Gericht gegen eine Firma erhoben werden kann ? für ein Vergehen, das gar nicht hierzulande stattgefunden hat ? findet er problematisch. Als negativen Punkt hebt er auch die Beweislastumkehr hervor. Diese besagt, dass nicht der Kläger aus dem Ausland beweisen muss, dass ein Schaden entstanden ist. Die Klage an eine Firma, die unter wirtschaftlicher Machtausübung eines Schweizer Unternehmens steht, wird grundsätzlich einmal angenommen. Laut Initiative muss die Schweizer Firma dann selbst nachweisen, dass sie alles Mögliche unternommen hat, um einen Schaden zu verhindern. Dies erachtet Aeschi als tiefgreifenden Wandel unseres heutigen Rechtssystems. Er befürwortet allerdings den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments, welcher bei der Ablehnung der KOVI automatisch in Kraft tritt. «Unser Rechtssystem wird dabei nicht auf den Kopf gestellt. Es wird allerdings die Aufsicht über Firmen, die international tätig sind, verschärft.»
Doch welche Konsequenzen hat die Initiative für den Kanton Zug? Eine der möglichen Auswirkungen beschreibt Thomas Aeschi wie folgt: Anders als der Initiativtitel behauptet seien nicht nur Konzerne von der KOVI betroffen, sondern auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU?s). Diese werden im Initiativtext nie explizit ausgenommen. Das bedeutet laut Aeschi, dass auch kleine Zuger Geschäfte, die im Ausland Güter beziehen, einen Mehraufwand betreiben müssten, um faktisch sicherzustellen, dass Menschenrechte und Umweltstandards der Zulieferer eingehalten werden. Das könnte wiederum ein Kostenanstieg für die Konsumenten der Endprodukte bedeuten.
Dass auch KMU?s von der Initiative betroffen sind, streitet Barbara Gysel keineswegs ab. Sie meint aber, das sei auch ein wenig die Idee der Sache bei Unternehmen im Risikobereich. Laut Initiativtext soll auf die Möglichkeiten und Ressourcen der kleinen Unternehmen Rücksicht genommen werden. Der springende Punkt sei allerdings: Auch kleine Unternehmen können Menschenrechte verletzen. Demnach soll die Initiative nicht von der Grösse eines Unternehmens abhängig gemacht werden. Bei der expliziten Ausnahme von KMU?s könnten sich Grosskonzerne nämlich einfach in kleinere Geschäfte aufteilen, um so das Recht zu umgehen. Gysel sagt folgendes: «Man will die Unternehmen ja nicht strafen, sondern die Menschen und die Umwelt schützen. Firmen sollen sich nicht unrechtmässig Wettbewerbsvorteile verschaffen.»
Viele Gegner der KOVI meinen zudem, die Initiative schade dem Wirtschaftsstandort Schweiz und damit auch dem Wirtschaftsstandort Zug. Wenn die Regeln hierzulande zu streng werden, dann verschieben Unternehmen ihren Firmensitz ins Ausland. Barbara Gysel widerspricht dem. Das neue Recht könnte für den Wirtschaftsstandort Schweiz und gerade auch für den Wirtschaftsstandort Zug zusätzliche Glaubwürdigkeit bedeuten und damit einen positiven Effekt haben. Der Rohstoffhandel, der insbesondere im Kanton Zug stark vertreten ist, kann erst nachhaltig werden, wenn die Glaubwürdigkeit erbracht werden kann, dass hierzulande sauber gewirtschaftet und nicht nur auf den Preis geschaut wird. Das neue Recht würde also einer Art «Gütesiegel» gleichkommen und die Schweiz international vielleicht eben attraktiver machen.
Zudem möchte Gysel der Bevölkerung bewusst machen, dass die meisten multinationalen Konzerne, gerade im Rohstoffbereich, zu welchem Zug wesentlich dazugehört, längst Menschen- und Umweltstandards auf freiwilliger Ebene definiert haben und schon heute umsetzen. Das was bis jetzt freiwillig gemacht wurde, soll nun einfach zur Pflicht werden. «Für die Allermeisten wird es also keine riesige Umstellung bedeuten. Es ist keine komplett neue Welt. Problem ist nur, wer freiwillig nicht macht, ist Trittbrettfahrer. Daher braucht es für alle eine verbindliche Regelung.»
Ein Initiativtext ist generell abstrakt. Daher kommt es ? darin sind sich Aeschi und Gysel einig ? auf die praktische Umsetzung an, wenn es um die genauen Konsequenzen der Konzernverantwortungsinitiative geht. Im Moment ist es schwer abzuschätzen, welche Auswirkungen die KOVI auf die Schweiz und gar auf den Kanton Zug haben könnte. Barbara Gysel sagt zum Schluss: «Im Grundsatz ist man sich vielleicht noch schnell einig, aber es gibt noch sehr viele Detailfragen.» Thomas Aeschi meint: «Der bei einem Nein in Kraft tretende Gegenvorschlag ist eindeutig zu bevorzugen, da er schnell Rechtssicherheit schafft.»
redaktion@zugerwoche.ch
Von Svenja Müller
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