Stadt Zug
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Bernadette Ammann ist Projektleiterin im Bereich Grundkompetenzen Erwachsener im Kanton Zug. Foto: zvg
Die UNESCO hat am 14. März den internationalen Tag der Mathematik ausgerufen und weist damit auf die Bedeutung der Alltagmathematik hin. Rund 9 Prozent der Schweizer Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren haben grosse Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen. Wir sprachen darüber mit Bernadette Ammann vom Amt für Berufsbildung des Kantons Zug.
Die Mathematik gehört zu den Grundkompetenzen. Was hat man unter Grundkompetenzen zu verstehen?
Die Grundkompetenzen sind die Fähigkeiten, über die Erwachsene verfügen, um die Aufgaben des täglichen Lebens zu erfüllen und sie bilden die Voraussetzung für lebenslanges Lernen. Das Weiterbildungsgesetz umschreibt die Grundkompetenzen mit Lesen, Schreiben, mündliche Ausdrucksfähigkeit in einer Landessprache, Grundkenntnisse der Mathematik und Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie.
Den Tag der Mathematik gibt es deshalb, weil ein Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen hat. Wie hoch ist dieser Anteil im Kanton Zug?
Wir haben vom Amt für Berufsbildung aus im Herbst eine Umfrage bei Institutionen und bei den grössten Betrieben des Kantons Zug durchgeführt, um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten. Das Ergebnis war sehr klar: 97 Prozent der Antwortenden sind der Überzeugung, dass die Förderung von Grundkompetenzen Erwachsener eine wichtige Aufgabe ist.
Wo liegt der grösste Förderbedarf?
Der grösste Förderbedarf besteht in den beiden Bereichen «Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie» und «Deutsch Lesen und Verstehen», Mathematik liegt weit abgeschlagen auf Platz 4.
Wie kommen diese Menschen durch den Alltag, zum Beispiel beim Preisvergleich im Supermarkt, bei der Steuererklärung oder beim Bewältigen der persönlichen Korrespondenz?
Die meisten Menschen erhalten Hilfe aus ihrem persönlichen Umfeld. Sie haben ihre Strategien entwickelt, mit denen sie kritische Situationen meistern.
Die Leute leben also mit einer täglichen Unsicherheit?
Davon können wir ausgehen. Gleichzeitig haben wir alle mit einem gewissen Mass an Verunsicherung zu kämpfen. Wer kann schon von sich behaupten, dass er oder sie zum Beispiel alle Details in einer Versicherungspolice auf Anhieb versteht? Es gibt keine klare Grenze zwischen Personen mit genügenden und Personen mit fehlenden Grundkompetenzen. Abhängig davon, wie sich die Anforderungen der Arbeitswelt und der Gesellschaft ans Individuum verändern, gestaltet sich auch die Personengruppe, die Förderbedarf im einen oder anderen Bereich aufweist, immer wieder anders. Daher ist es so wichtig, dass jede und jeder Instrumente zur Hand hat, um sich auf neue Situationen einzulassen.
Wie reagiert das Umfeld der Betroffenen beziehungsweise die Öffentlichkeit auf das Thema?
Das Umfeld ist meistens sehr unterstützend. Schwierig wird es, wenn jemand alleine lebt und nicht auf ein persönliches Umfeld zurückgreifen kann. Enorm einschränkend wirken sich fehlende Grundkompetenzen beim Suchen einer Arbeitsstelle oder bei Veränderungen am Arbeitsplatz aus.
Ist bei fehlenden Grundkompetenzen Armut nicht vorprogrammiert?
Personen mit mangelnden Grundkompetenzen sind bedeutend stärker armutsgefährdet. Sie können sich auf dem Arbeitsmarkt viel weniger flexibel bewegen. Schon bei geringfügigen Veränderungen ist ihre Arbeitsstelle gefährdet. Vor allem aber sind sie von den meisten Weiterbildungen und Nachqualifizierungen ausgeschlossen, weil ihnen die Instrumente dafür fehlen. In einer Gesellschaft, in der lebenslanges Lernen eine notwendige Voraussetzung zum Bestehen auf dem Arbeitsmarkt darstellt, ist dies eine gravierende Einschränkung. Der Anteil von Personen, die über keinen Berufsabschluss verfügen, lag 2020 schweizweit bei 15 Prozent. Personen ohne Berufsabschluss machen 24.8 Prozent der Armutsbetroffenen aus, sind also deutlich übervertreten. Ein fehlender Berufsabschluss, der oft mit fehlenden Grundkompetenzen einhergeht, stellt ein Armutsrisiko dar.
Was unternimmt der Kanton Zug in Bezug auf diese doch gravierenden Mängel in der Bevölkerung?
Der Kanton Zug ist sich dieses Themas sehr bewusst. Personen mit einem Förderbedarf in den Grundkompetenzen können bereits jetzt am Weiterbildungszentrum WBZ Luzern den Kurs «Lesen und Schreiben für deutschsprachige Erwachsene», den «Basiskurs Grundkompetenzen für Erwachsene» und am Berufsbildungszentrum BBZ Goldau den «Vorbereitungskurs Grundkompetenzen für Erwachsene» kostenlos besuchen. Das BIZ, Berufsinformationszentrum, steht den ratsuchenden Personen mit Tipps und Beratungen zur Seite. Auf Basis des Weiterbildungsgesetzes hat der Kanton Zug mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, kurz SBFI, für die Jahre 2021 bis 2024 eine Programmvereinbarung abgeschlossen, in der er sich dazu verpflichtet, Massnahmen zur Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener zu ergreifen. Im Kantonsrat wurde im November 2022 ein Postulat als erheblich erklärt, das die Einführung von Bildungsgutscheinen zur Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener verlangt. Somit sind alle Voraussetzungen gegeben, dass der Kanton Zug ab September in Zusammenarbeit mit den Kantonen Luzern und Schwyz Bildungsgutscheine für Kurse im Bereich der Grundkompetenzen Erwachsener ausstellt. Aktuell laufen die Vorbereitungen für diesen Schritt, detailliertere Informationen folgen in den nächsten Monaten.
Uwe Guntern
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