Chriesisturm
Mit Leitern und Hutten durch die Zuger Altstadt
Dem Nachlass des Schritfstellers und Malers Josef Mühle widmet sich eine Ausstellung mit bisher nicht gezeigten Gemälden. Zu verdanken ist dies seinem Enkel Alexander Mühle.
Josef Mühle wurde am 9. Mai 1890 in Sursee geboren und verstarb 7. Mai 1950 in Luzern. Er hinterliess über 80 Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen sowie verschiedene Bücher. Seine literarische Arbeit ist in vielen Feuilleton-Beiträgen, im Zuger Neujahrsblatt oder im «Geschichtsfreund» dokumentiert. Dass gerade jetzt seine die Werke der Öffentlichkeit gezeigt werden, hängt mit dem Tod seines Sohnes Wolfgang und dessen Ehefrau zusammen. Nach deren Tod kümmerte sich ihr Sohn Alexander Mühle, einziger Enkel des Malers, intensiv um den Nachlass seines Grossvaters. Ein Ergebnis war die Ausstellung. Wir unterhielten uns mit Alexander Mühle über seinen Grossvater, der 15 Jahre vor seiner Geburt starb.
Was wussten Sie über Ihren Grossvater, bevor Sie sich mit seinem Nachlass beschäftigten?
Sehr, sehr wenig. Eigentlich wusste ich nur, dass er Direktor an der Kunstgewerbeschule war, dass er Bücher geschrieben hat und dass er gemalt hat. Zwar bin ich mit seinen Bildern sozusagen aufgewachsen. Sie hangen bei uns im Haus. Aber wirklich gewusst habe ich nichts über meinen Grossvater.
Hat denn Ihr Vater nie etwas über seinen Vater erzählt?
Nie. Wenn von meinem Grossvater die Rede war, dann über seine Leistungen. Aber keine Geschichten, keine Anekdoten oder etwas Lustiges aus seinem Leben.
Können Sie sich erklären, warum das so war?
Ich vermute, dass mein Grossvater seinem Sohn gegenüber keine Gefühle zeigen konnte. Bei meinem Vater und mir war dies übrigens genauso. Ausserdem scheint mein Grossvater auch nicht der Umgänglichste gewesen zu sein. Eventuell hat sich deshalb ein Graben zwischen Vater und Sohn aufgetan. Weder mein Grossvater noch mein Vater waren sehr emotional.
Einen Bezug zum Grossvater hatten Sie also nur über seine Bilder, die bei Ihnen zu Hause hängen?
Das stimmt. Ich hatte sogar eines im Kinderzimmer. Die Wände waren, wie ich mich erinnere, voll mit ihnen, doch noch viel mehr Werke befanden sich im Keller oder unterm Dach.
Wie sind Sie die Aufarbeitung des Nachlasses angegangen?
Mir war immer klar, dass ich einmal ein Museum auflösen müsste. Als ich dann dann nach dem Tod meiner Eltern begann, das Haus zu räumen, beschäftigte ich mich innerlich immer intensiver mit den Bildern. Oft witzelte ich: «Ich habe mit dem Haus meiner Eltern auch ein Museum geerbt.» Daraus entstand dann die Idee: «Dann mach doch auch ein Museum daraus.»
Können Sie beschreiben, wie Sie nach und nach immer mehr von Ihrem Grossvater entdeckten und immer tiefer in seine Welt vordrangen?
Es kamen immer mehr Lebensdaten zusammen. All das habe aufgearbeitet. Ich glaube wirklich sein gesamtes Leben lückenlos dokumentiert zu haben. Ich hab sogar seinen handgeschriebenen Lebenslauf für die Bewerbung als Direktor der Kunstgewerbeschule in Luzern. Aber was mir komplett fehlt, ist das Menschliche. Ich vermiss es, nicht zu wissen, was er für ein Mensch war.
Konnten Sie nicht einen Zugang über seine Werke bekommen?
Die schon. Aufgrund seiner Texte kann ich mir vorstellen, dass er ein Romantiker war, ein Schöngeist. Vielleicht hätte er das auch viel lieber ausgelebt, als ein Leben zu führen, das durch seine gesellschaftliche Stellung geprägt war. Aber das sind eben alles nur Vermutungen.
Sehen Sie Ihren Grossvater denn heute anders als noch vor der Nachlassregelung?
Das denke ich. Zudem ich heute sehr viel mehr über ihn weiss. Er hat ein enormes Werk hinterlassen. Das hatte ich nie erwartet. Aber wie gesagt, die emotionale Seite habe ich nicht erlebt. Am ehesten noch in seinen Bildern.
Haben Sie Lieblingsstücke oder ein Lieblingswerk?
Da kommt mir sofort die «Balkonecke» in den Sinn. Sie ist schon eines meiner Lieblingsbilder. Sie wurde 1937 im Zuger Neujahrsblatt rezensiert. Mein Grossvater hat übrigens das Motiv zweimal gemalt. Die Bilder unterscheiden sich in Nuancen. Ich vermute, dass er die «Balkonecke» verkauft hatte, weil sie in der Rezension gelobt wurde. Und dann hat er sie nochmals gemalt.
Sie selbst leben in Stansstad, die Ausstellung ist in Langnau am Albis. Was verbindet nun Josef Mühle mit Zug?
Seine Mutter war Zugerin. Er hatte zunächst die Mittelschule in Zug besucht. Später wurde er Zeichenlehrer am Lehrerseminar in Zug. 1920 übertrug ihm die Stadt Zug, zuerst nebenamtlich, dann vollamtlich den Unterricht an der Gewerbeschule für sämtliche Baufächer und für das Zeichnen und Malen der kunstgewerblichen Berufe an der Bauabteilung der Gewerbeschule.
Wie kam es, dass er für den Baubereich der Gewerbeschule unterrichtete?
Er hatte Architektur studiert. Nebenbei aber auch Kunsthistorik belegt. Nach seinem Studium kam seiner Karriere eine Baukrise in den Weg. Er nutze die Zeit und arbeitete an seiner Dissertation. Er war dann auch der erste, der in Architektur einen Doktortitel erlangte. Um Geld zu verdienen, hat er Zeichenunterricht gegeben. Schliesslich wurde sein Nebenberuf zum Hauptstandbein. Er wurde Direktor der Gewerbeschule Zug. Er ist bis 1939 in Zug geblieben. Es war auch die Hauptschaffensphase seiner Malerei.
Die Ausstellung beschäftigt sich mit seiner Malerei. Wie würden Sie Ihren Grossvater als Maler charakterisieren?
Er war ein neutraler Betrachter und setzte das, was er sah, in Farbe um. In der Ausstellung hängen zwei gegensätzliche Bilder von Zug nebeneinander, die dies gut zum Ausdruck bringen. Es sind die «Neugasse» und die «Alpenstrasse». Die «Neugasse» ist nebelig-trüb, so wie es in Zug oft auch ist. Und daneben die «Alpenstrasse» im schönsten Sonnenschein. Von den Kritikern wurden diese Bilder teilweise als blutleer bezeichnet. Aber er wollte ja gezielt auch den Nebel malen. Er wird wohl gesagt haben: «So ist es und so male ich es.»
Die Ausstellung in Langnau am Albis unter dem Motto «Eine bereichernde Zeitreise in die Farbenwelt von Josef Mühle» ist auf Anfrage geöffnet. Offizielle Öffnungszeiten: Samstag bis Montag, 15. bis 17. und 22. bis 24. Januar. Samstag 15. Januar mit Vortrag und Apéro www.josef-muehle.ch
Uwe Guntern
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