Laura Dittli
Die OK-Chefin freut sich auf die Meisterschaften im Vereinsturnen
«Energie bedeutet Wohlstand»: Regierungsrat Florian Weber im Gespräch mit der Zuger Woche. Foto: Charly Keiser
Russlands Präsident dreht den Gashahn zu – und in Zuger Stuben wird es plötzlich sehr frostig. Kann man das verhindern? Die Zuger Woche hat nachgefragt.
Der Bundesrat hat den Ernst der Lage erkannt. Ende Juni warnte er vor einer möglichen Gas- und Strommangellage im Winter. Seit dem Ukraine-Krieg ist Gas für den russischen Präsidenten ein handfestes politisches Druckmittel geworden. Er weiss, dass grosse Teile Europas von russischem Gas abhängig sind – allen voran Deutschland. Die Pipeline Nordstream 1 ist momentan geschlossen – laut offiziellen Angaben wegen Sanierungsarbeiten. Doch wird Putin den Gashahn wieder aufdrehen? Oder fordert er vom Westen erst Zugeständnisse im Ukraine-Konflikt? Die Unsicherheit ist gross, auch in der Schweiz.
Denn die Eidgenossenschaft ist beim Gas zu hundert Prozent von Importen abhängig. Der Bundesrat hat die Gaslieferanten nun angewiesen, im Ausland Gasreserven zu kaufen. Allerdings liegen sämtliche Gasspeicher im Ausland. Doch was werden die Deutschen und Franzosen mit dem Schweizer Gas tun, wenn die eigene Bevölkerung am Frieren ist? Droht ein ähnliches Debakel wie am Anfang der Corona-Krise als jedes Land zuerst Masken für die eigenen Bürgerinnen und Bürger wollte? Hinzu kommt, dass 18 Prozent des EU-Stroms mit Gas hergestellt werden und zurzeit viele französische Atomkraftwerke nicht am Netz sind, weil sie geprüft werden. Das kann im Winter in der Schweiz zu einer akuten Stromknappheit führen.
Bei einer drohenden Strommangellage würde der Bund zuerst Appelle an die Bevölkerung und an die Wirtschaft richten, freiwillig Strom zu sparen. Verschärft sich die Situation, so könnte der Bund verfügen, dass gewisse elektrische Anwendungen nur eingeschränkt oder gar nicht mehr benutzt werden können. Grossverbraucher bekämen Kontingente zugeteilt. Und im schlimmsten Fall würden ganze Stromnetze abgeschaltet.
«Eine Strommangellage würde uns einiges härter treffen als eine Gasknappheit», sagt Florian Weber, Zuger Regierungsrat und Energieminister. «Darum müssen wir sicherstellen, dass die Notfallorganisationen und die kritischen Infrastrukturen, wie zum Beispiel Spitäler, auch bei einem völligen Blackout ihren Betrieb gewährleisten können.» Der Kanton Zug sei auf einen Stromausfall gut vorbereitet, sagt Urs Marti, Leiter der Stabsstelle Notfallorganisationen. Sämtliche kritischen Infrastrukturen verfügten über Notstromaggregate. «Und natürlich haben die Notfallorganisationen auch Treibstoff-Reserven angelegt, um die Generatoren am Laufen zu halten», sagt Marti. Sollte der Treibstoff dennoch einmal ausgehen, so haben die Organisationen die Möglichkeit, bei verschiedenen Tankstellen in den Gemeinden Treibstoff per Notstrom abzuzapfen. Doch wie kann die Kommunikation ohne Strom gesichert werden? «Für die Behörden und die Organisationen für Rettung und Sicherheit steht ein flächendeckendes Funknetz zur Verfügung», sagt Marti, «das sogenannte Polycom. Damit lässt sich die Kommunikation auch ohne Netzstrom aufrechterhalten.»
Polizei, Feuerwehr, Spitäler, Zivilschutz, die Wasserversorgung, das Abwasser- und das Strassensystem: All das funktioniert also auch bei einem Blackout. Aber wie soll jemand die Polizei oder die Feuerwehr rufen, wenn der Handyakku einmal leer ist? «Dafür gibt es in jeder Gemeinde Notfalltreffpunkte. Meist sind diese in der Nähe des Gemeindehauses oder eines Schulhauses oder beim Feuerwehrdepot. Dort stehen Funkgeräte zur Verfügung, mit denen man Alarm auslösen kann», sagt Marti. Vor gut einem Jahr wurde in alle Haushalte ein Merkblatt versandt, auf dem die Notfalltreffpunkte eingezeichnet sind. «Diesen Herbst werden wir ganz sicher nochmals darauf aufmerksam machen», sagt Marti.
Sind Besitzer von Photovoltaik-Anlagen im Vorteil, können sie sich selbst versorgen? «Jein», sagt Urs Marti, «wenn die Solaranlage einen Speicher oder eine Batterie hat, dann hat auch der Besitzer Strom. Allerdings sind die wenigsten Anlagen mit einem solchen Speicher ausgerüstet. Alle anderen Photovoltaik-Anlagen schalten sich automatisch ab, wenn im Netz kein Strom ist. Das heisst, man kann in diesem Fall den Solarstrom auch nicht nutzen.» «Diese Problem ist auch uns bekannt», sagt Regierungsrat Florian Weber, «wir prüfen darum, welche Solaranlagen auf kantonalen Gebäuden wir aufrüsten können. Allerdings nimmt das noch ein bisschen Zeit in Anspruch»
Jedes dritte Wohngebäude in der Stadt Zug wird mit Gas beheizt, in den Gemeinden Cham und Baar ist es noch jedes vierte (siehe Kasten). Die Bewohner dieser Gebäude hätten bei einer Gasknappheit im Winter ein akutes Heizproblem. «Ohne Gas funktioniert bei diesen Gebäuden auch die Heizung nicht», sagt Urs Marti, «falls der Strom noch funktioniert, könnten die Haushalte mit einem Elektro-Öfeli minimal nachheizen. Oder, wenn sie über ein Cheminée verfügen, mit Holz. Auch wer mit Gas kocht, müsste sich nach einer Alternative umschauen. Sicher wäre es in einem solchen Fall nicht falsch, den dicken Pullover hervorzunehmen. Wir konzentrieren uns auf den Schutz der kritischen Infrastruktur und der vulnerablen Personen, der grosse Teil der Bevölkerung müsste sich generell selbst behelfen.»
Auch bei der WWZ AG ist man sich des Problems bewusst: «Wir haben alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um die Versorgung unserer Kundinnen und Kunden sicherzustellen. Der Bund wird in einer Mangellage schweizweit über die einzelnen Massnahmen entscheiden. Wir empfehlen unseren Kundinnen und Kunden grundsätzlich, auf CO₂-freie Fernwärme oder Contracting-Anlagen umzusteigen, um so die Abhängigkeit vom Gas zu reduzieren.» Die Abhängigkeit reduzieren: Das möchte auch der Kanton. «Wir geben fast sieben Millionen Franken für Sanierungen, Wärmedämmungen und alternative Heizsysteme aus», sagt Florian Weber. Aber natürlich seien das mittel- und langfristige Massnahmen. Braucht es für diesen Winter also sicherheitshalber einen dicken Pullover? «Es ist nie falsch, sich eine saisongerechte Kleidung zuzulegen», sagt der Baudirektor.
Anteil Wohngebäude mit Gasheizungen
1. Zug 37 Prozent
2. Baar 27 Prozent
3. Cham 25 Prozent
4. Hünenberg 20 Prozent
5. Steinhausen 18 Prozent
6. Risch 17 Prozent
7. Unterägeri 2 Prozent
8. Oberägeri 1 Prozent
9. Menzingen 0 Prozent
10. Neuheim 0 Prozent
11. Walchwil 0 Prozent
Quelle: Bundesamt für Statistik
Andy Stauber
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