Stadt Zug
Cyrill Lim ist neues Mitglied der Kulturkommission
Ereignisse bringen Menschen zusammen, Geschichten berühren, Erzählungen lehren. An den nationalen Erzählcafé-Tagen wird jedem ein offenes Ohr geschenkt, der seine eigene Geschichte in einem sicheren Rahmen teilen möchte. Ganz nach dem Motto: «Erzählen ist freiwillig, Zuhören Pflicht».
Schweiz/Zug Nach Monaten von sozialer Abstinenz kommen an den ersten nationalen Erzählcafé-Tagen wieder Menschen zusammen, um Lebensereignisse miteinander zu teilen und tiefsinnige Gespräche anstatt Small Talk zu führen. In einem sicheren Kreis darf jeder erzählen oder einfach nur zuhören. Oberstes Gebot dabei: Niemand wird verurteilt, über das Erzählte wird nicht diskutiert und jeder hat das Recht zu sprechen. Im Rahmen der Erzählcafés werden die Werte von Gesprächen näher gebracht und aufgezeigt, wie wichtig soziale Kontakte in unserer schnelllebigen Zeit sind. Das Netzwerk «Erzählcafé Schweiz» wurde bereits 2015 vom Migros-Kulturprozent und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) lanciert. Seither finden in der ganzen Schweiz kleinere Erzählcafés statt, bei denen fremde Menschen zusammenkommen und ihre Geschichten und Lebenserfahrungen teilen. Bislang gibt es bereits 74 Erzählcafés in 35 Ortschaften, die einen unkomplizierten Austausch ermöglichen. Die Idee dahinter: Menschen unterschiedlicher Generationen zusammenbringen, die sich in verschiedenen Lebenssituationen befinden und das direkte Gespräch mit fremden Personen schätzen. Dieses Jahr wird in grösserem Rahmen auf die Erzählcafés aufmerksam gemacht. Vom 11. bis 13. Juni finden die ersten nationalenErzählcafé-Tage statt, um - besonders in dieser schwierigen Zeit - auf das Angebot aufmerksam zu machen
«Wann hat Ihnen das letzte Mal jemand zugehört ohne Sie zu unterbrechen oder darüber zu urteilen? Vermutlich erinnern sich viele nicht einmal mehr daran, wann ihnen das letzte Mal ein offenes Ohr geschenkt wurde. Genau das soll bei den Erzählcafés geändert werden. Dort sind fremde Menschen anwesend, die einander ihre Geschichten erzählen und es schätzen, wenn ihnen einfach zugehört wird. Es wird nicht verurteilt, das Gesagte bleibt vertraulich und es entstehen keine Diskussionen. Alle Erzählcafés werden unterschiedlich aufgebaut und es werden immer andere Themen behandelt», erzählt Barbara Salm, Kommunikationsberaterin Bereich Soziales des Migros-Kulturprozents. Sie habe letzten Sommer ihr erstes Erzählcafé besucht. Das Thema «Wie wurde die Corona-Krise erlebt» wurde damals aus aktuellen Gründen gewählt und sorgte für genügend Gesprächsstoff. «Es war sehr berührend von den Teilnehmenden zu hören, wie sie die Pandemie und den damit verbundenen Verlust von sozialen Kontakten erlebt haben.»
Salm sei an ihrem ersten Erzählcafé bewusst geworden, wie wichtig diesen Menschen der direkte und persönliche Austausch ist. «Ich bin auch sehr froh, dass die nationalen Erzählcafé-Tage von Angesicht zu Angesicht und nicht digital stattfinden. Denn das persönliche Zusammentreffen von fremden Personen ist genau das, was wir mit den Erzählcafés erreichen möchten. Natürlich werden die Anlässe unter den entsprechenden Schutzauflagen durchgeführt.»
Organisiert werden die verschiedenen Veranstaltungen von speziell dafür ausgebildeten Moderatoren und Moderatorinnen. Die Ausbildung dafür wird vom Migros-Kulturprozent ermöglicht. Nach einem Leitfaden der FHNW und des Migros-Kulturprozents führen sie selbständig Erzählcafés in ihrer Region durch und bestimmen deren Themen. Einzig das Motto der nationalen Erzählcafé-Tage ist vorgegeben: Lebensereignisse. Alle Moderierenden sind ehrenamtlich tätig und entscheiden selbst, wie oft und wo sie ihre Erzählcafés durchführen möchten. Silja Flury ist neben Dominique Schwank eine der Moderatoren in Zug und hat ihre Ausbildung an der FHNW absolviert. Sie hat sich auf die Gespräche zwischen Frauen spezialisiert und wird ihre Erzählcafés am 12. und 13. Juni in der Frauenzentrale in Zug durchführen. Die Idee, fremde Menschen an einen Tisch zu bringen und Erlebnisse auszutauschen, habe sie begeistert und dazu motiviert, selbst Teil des Projektes zu werden. «Jeder hat eine Geschichte zu erzählen, man muss nur hinhören. Mitzuverfolgen, wie es Menschen helfen kann, wenn ihnen zugehört wird und eventuell selbst zu helfen, inspiriert mich ungemein», erzählt Flury.
Silja Flurys Aufgabe als Moderatorin ist es, die Gespräche einzuleiten und sanft zu führen. «Zu Beginn erkläre ich allen Teilnehmenden die Regeln. Zum Beispiel, dass alles was in diesem Raum gesagt wird, auch dort bleibt. Das schafft eine gewisse Vertrautheit. Jeder darf sprechen, muss aber nicht - aber jeder soll zuhören, ohne ein Urteil zu fällen. Jede Erzählung kann etwas lehren und zum Nachdenken anregen.» Nach den Gesprächen kann man sich noch bei einem Kaffee austauschen. Ziel von Silja Flury ist es, dass jeder Teilnehmende das Erzählcafé mit positiven Eindrücken verlässt: «Wenn ich merke, dass jemand emotional angeschlagen ist, suche ich danach das persönliche Gespräch mit dieser Person. Mit meiner Ausbildung weiss ich damit umzugehen und ich versuche, die Emotionen in eine positive Richtung zu lenken». Die Erzählcafés am kommenden Wochenende werden von Silja Flury spezifisch für Frauen durchgeführt. «Ich bin sehr glücklich, dass die Frauenzentrale Zug mir dafür ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Gerne möchte ich aber nach den nationalen Erzählcafé-Tagen gemischte Veranstaltungen anbieten», erzählt die Moderatorin. Dafür müsse sie sich jedoch noch um passende Räume kümmern. Willkommen ist jeder, der erzählen oder einfach nur zuhören möchte.
11. Juni von 14 bis 16 Uhr
SO20, Haus zum Lernen
Moderator Dominique Schwank
Anmeldung: dominique.schwank@rheumaliga.ch
12. Juni von 10 bis 12 Uhr
Frauenzentrale Zug
Moderatorin Silja Flury
12. Juni von 14 bis 16 Uhr
Frauenzentrale Zug, in Englisch
Moderatorin Silja Flury
13. Juni von 10 bis 12 Uhr
Frauenzentrale Zug, in Englisch
Moderatorin Silja Flury
13. Juni von 14 bis 16 Uhr
Frauenzentrale Zug
Moderatorin Silja Flury
Anmeldungen: silja@siljaflury.ch
Möchten Sie auch ausserhalb der nationalen Erzählcafé-Tagen an einem Erzählcafé teilnehmen, Moderator/in werden oder für die Erzählcafés Räumlichkeiten zur Verfügung stellen? Finden Sie weitere Informationen unter: www.netzwerk-erzaehlcafe.ch
Von Nadja Kuster
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