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KI in der Schweiz
Bildquelle: Pixabay/Geralt
In Zürich soll in den nächsten zehn Jahren zu einem KI-Hub werden. Was das genau heisst und was künstliche Intelligenz überhaupt ist, darüber herrscht aber keine Einigkeit unter den Forschenden der Schweiz.
Die Schweiz gehört weltweit zur Spitze, wenn es um KI-Forschung geht. Das zeigen die Zahlen des «AI Index Report 2019», einem internationalen Projekt der Stanford University. Im Jahr 2018 hat unser Land pro Kopf 68 Studien zu Künstlicher Intelligenz (KI) publiziert. Die Schweiz steht in Forschung und Entwicklung weltweit auf Platz zwei, nur Singapur ist noch aktiver. Forschungslabore an der ETH, der EPFL, der Universität Zürich, von IBM Research, am Idiap in Lausanne oder am Dalle Molle Institute im Tessin forschen seit Jahrzehnten zu Künstlicher Intelligenz, autonomen Systemen und maschinellem Lernen.
Die Forschung ist top, aber in der Umsetzung scheint es zu hapern. Eine Studie vom Marktforschungsinstitut MSM und Swisscom zeigte 2018: In Sachen KI stehen Schweizer Firmen immer noch am Anfang. Für 47 Prozent der befragten Unternehmen war damals der konkrete Nutzen von KI-Lösungen nach wie vor nicht ersichtlich.
Diese Kluft zwischen Forschung und Anwendung zeigt: KI heisst Vieles. Und nicht für alle das gleiche.
Der Visionär
«Der Race wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren entschieden sein», sagt der Zürcher Unternehmer Pascal Kaufmann am Telefon. Der Neurowissenschaftler meint damit das Rennen um die erste menschenähnliche, «generelle» Künstliche Intelligenz. Und will Zürich mit dem Geld seiner Stiftung Mindfire zur Vorreiterin machen. Dazu organisierte er letzten Oktober einen «Roundtable», an dem Vertreterinnen und Vertreter des Kantons, der ETH, der ZHAW und der Universitäten Zürich und Lugano sowie der Industrie sassen.
Hauptziel: Ein internationales Forschungslabor in Zürich aufbauen. «Wir wollen 200 000 bis 300 000 Leute vernetzen», sagt Kaufmann. «Es wird ein virtuelles Lab sein. Da sitzt man dann als Avatar in Shanghai in einer Vorlesung. Man kann an zehn bis zwanzig Unis gleichzeitig studieren.» Die Methodik ist ähnlich, wie bei Kaufmanns Unternehmen Starmind, das Grossfirmen intern vernetzt. Dabei kommen selbstlernende Algorithmen zum Einsatz, welche Knowhow-Profile von Nutzern automatisiert erstellen und Problemstellungen vollends autonom an die geeigneten Experten weltweit weiterleiten.
Ziel des Labors sei die Erschaffung eines «Robot-Scientists» bis 2030. «Eine menschenähnliche Künstliche Intelligenz, die innert kürzester Zeit 100 Millionen Papers lesen kann statt nur ein paar Dutzend, wie der Mensch, wird die Forschungen revolutionieren können», sagt Kaufmann. Kaufmann beziffert die Kosten für dieses Unterfangen im Milliarden Bereich.
Kaufmann glaubt fest an die Realisierbarkeit einer menschenartigen KI. Die gegenwärtige KI-Forschung sei aber vermutlich auf dem Holzweg. Deep Neural Networks und maschinelles Lernen hätten die KI-Forschung und das Verständnis um die Prinzipien der Intelligenz eher zurückgeworfen als gefördert. «Die heutige KI muss 100 Millionen Katzenbilder anschauen, bis sie eine Katze erkennt. Ein kleines Kind sieht eine einzige Katze, streichelt sie, und weiss, dass das eine Katze ist.» Das Hirn sei eher eine small-data- statt eine big-data-Maschine.
Der Skeptiker
Der KI-Forscher Hervé Bourlard hat schon viele «Hubs» kommen und gehen sehen. Seit über 20 Jahren forscht der Belgier am Idiap, dem Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz, das der EPFL angeschlossen ist.
Die Initiative beobachtet Bourlard aus der Ferne. «Ich weiss nicht einmal was ein menschenähnlicher, intelligenter Roboter sein soll. Ich selber würde nie behaupten, dass ich etwas schaffe, dass auch nur annähernd einer wirklichen Künstlichen Intelligenz gleicht». Was heute als KI bezeichnet werde, sei vor allem maschinelles Lernen und Datenwissenschaft. Hierfür komme hochentwickelte Mathematik zum Zug: Statistik, Korrelationen und nicht-lineare Modellierungen. «Das ist 90 Prozent von dem, was KI heute macht», sagt er. Denn: «Im Moment gibt es keine Intelligenz in der künstlichen Intelligenz. Und das wird wohl mindestens für die nächsten 50 Jahre so bleiben».
Als Beispiel nennt er autonome Fahrzeuge: «Ich glaube nicht, dass diese in den nächsten paar Jahren kommen werden», prophezeit er. Denn: «Auch wenn ein Auto alle Sensoren hat und seine Umgebung erkennen kann: Erkennen ist nicht verstehen, wie wir das als Menschen tun», sagt er. «Wir sind nicht annähernd in der Reichweite, wirklich intelligente Autos zu bauen.» Der Begriff Künstliche Intelligenz, sei eigentlich der falsche Begriff. Ein Wort des Marketings, das eine Ökonomie der Versprechen aufbaue und falsche Erwartungen schüre. «KI»: das ziehe schlicht Geld an.
Katrin Schregenberger
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