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Eine halbe Stunde Tageslicht täglich jedenfalls sei für die Vitamin-D-Synthese ausreichend, sagt eine Forscherin.
Bildquelle: Unsplash/Maciej Serafinowicz
Warum brauchen wir eigentlich Tageslicht? Und was passiert, wenn wir zu wenig davon bekommen? Ein Überblick.
Graue Tage machen uns zu schaffen, schmerzlich vermissen wir dann das Sonnenlicht. Warum eigentlich? «Tageslicht ist auf vielen Ebenen wichtig für die Menschen», sagt Anna Wirz-Justice, emeritierte Professorin am Zentrum für Chronobiologie der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sind davon abhängig.
Dazu muss man wissen, was im Körper passiert, wenn es morgens hell wird. Sobald Licht auf die Netzhaut trifft, schrillt gewissermassen die biologische Fabriksirene: der Körper schüttet zum Beispiel das Aktivitätshormon Adrenalin aus oder auch Kortisol, das die Bereitstellung von Energie fördert. Deshalb können wir uns tagsüber besser konzentrieren und mehr leisten. Die Verdauung und der Aufbau von Muskeln hingegen spielen sich nachts ab und pausieren tagsüber.
«Wir Chronobiologinnen gehen davon aus, dass alles im Körper einen Tagesrhythmus hat», erklärt Wirz-Justice. Fachleute nennen das «Circadian Cycle», einen Teil davon kennen wir als Wach-Schlaf-Rhythmus. Damit dieser Tagesrhythmus im Takt bleibt, also synchronisiert ist, braucht es vor allem morgens helles Licht.
Die Wissenschaft habe den letzten Jahrzehnten in ihrem Fach grosse Fortschritte gemacht, resümiert Wirz-Justice. «Vor 50 Jahren dachte man noch, der Mensch brauche kein Tageslicht», erinnert sie sich. Heute sei dessen wichtige Rolle bestätigt ? lichtabhängige Winterdepression sei beispielsweise eine anerkannte Krankheit. «Wenn ein Körper nicht synchronisiert ist, gibt es auf lange Sicht Krankheiten», sagt sie.
Wer zu wenig Tageslicht bekommt hat oft Probleme richtig wach zu werden, fühlt sich müde oder schläft schlecht. Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein gestörter Körperrhythmus dick machen oder sogar Diabetes auslösen kann, weil der Energiestoffwechsel aus dem Takt gerät. Auch Herz- und Kreislauferkrankungen werden mit verschobenem Rhythmus in Verbindung gebracht.
Daran ändert die Allgegenwart von künstlichem Licht wenig. Sonnenlicht unterscheidet sich von Kunstlicht in mehreren Punkten. Von der Morgen- bis zu Abenddämmerung ändert sich die Helligkeit fortlaufend. Dabei verschiebt sich auch die spektrale Zusammensetzung: Licht in der Dämmerung ist eher rötlich, mittags ist es bei wolkenlosem Himmel bläulich weiss. Fachleute sagen, es hat eine «hohe Lichttemperatur». Meistens bekommen wir das gar nicht mit, weil unser Auge die Veränderungen ausgleicht.
Tageslicht ist um vieles heller als jede Lampe, selbst an trüben Tagen. Wer morgens eine Lampe einschaltet, wird von dieser mit 500 bis 1000 Lux bestrahlt. Tageslicht ist viel heller. In der Dämmerung leuchtet die Sonne noch immer mit ungefähr 3000 Lux, mittags bei wolkenlosem Himmel mit rund 100 000 Lux. Bei Lampenlicht schrillt die Sirene also nicht, sie tutet nur leise.
Die Chronobiologin Wirz-Justice geht jeden Morgen eine halbe Stunde nach draussen, um den Rhythmus zu aktivieren. «Das reicht, um die innere Uhr zu synchronisieren», sagt die Expertin. Wenn es gar nicht gehe, helfe auch eine spezielle Tageslichtlampe, die es auf etwa 10?000 Lux bringt.
Denn: Ein intakter Tagesrhythmus hat wichtige Vorteile: «Wer gut synchronisiert ist, leistet mehr», sagt die Expertin Wirz-Justice, die zehn Jahre lang Weiterbildungen für Swiss Olympic durchführte. Dabei brachte sie Trainern bei, wie wichtig Schlaf für die Leistung ist, wie Sportelerinnen und Sportler sich bei weiten Reisen wieder synchronisieren können oder dass Spät-Typen in einem Wettkampf nicht gerade frühmorgens starten sollten.
Der Zusammenhang von Leistung und Licht ist gut belegt. Schon vor zehn Jahren legten Studien nahe, dass Schüler bei Tageslicht besser lernen. Heute wird der Tageslichteinfall beim Bau von Schulen und Universitäten berücksichtigt. Doch Tageslicht hat noch andere wichtige Funktionen. Zum Beispiel wirkt es aktivierend wie ein Stimmungsaufheller, wir fühlen uns insgesamt wohler.
Besonders wichtig sei Tageslicht für Kinder, betont Wirz-Justice. Die vor allem in Asien zunehmende Kurzsichtigkeit sei zu grossen Teilen auf den Mangel an Tageslicht im Kindesalter zurückzuführen. Das liesse sich einfach verhindern, indem Kinder mehr Zeit draussen verbringen. Schon eine halbe Stunde Tageslicht täglich reiche für die Vitamin-D-Synthese aus, sagt Wirz-Justice.
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Daniela Gschweng
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