Chriesisturm
Mit Leitern und Hutten durch die Zuger Altstadt
Olivier Eisenmann war zunächst beruflich als Pianist tätig, bevor er der Faszination des Orgelspiels erlag. Foto: zvg
Der Konzertorganist Olivier Eisenmann erhält in diesem Jahr den Ehrenpreis der Zuger Kulturschärpe. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter der internationalen Zuger Orgeltage, die dieses Jahr ihr 40-Jahr-Jubiläum feiern. Live zu hören ist der Preisträger am Sonntag in Zug.
Sie erhalten Ende des Monats die Kulturschärpe der Kulturkommission der Stadt Zug. Was hat es mit diesem Preis auf sich?
Die Kulturschärpe besteht aus dem Hauptpreis, einem Anerkennungspreis und dem Ehrenpreis. Letzteren erhalte ich. Ich fasse den Preis auf als Würdigung für mich als Konzertorganist und für meine Arbeit, die ich in den letzten 40 Jahren geleistet habe. Jedes Jahr habe ich neue Werke präsentiert und durch die eingeladenen Gastsolisten ausführen lassen. In deren Programmen mussten mindestens 30 Prozent der Werke aus der eigenen Kulturregion stammen. Meines Wissens macht sich keine Konzertreihe in Europa eine solche Mühe. Zudem ist kein Geld damit verbunden.
Macht Sie der Preis stolz?
Natürlich, zumal man als Konzertorganist sonst keine Anerkennung erhält. Die Position des Konzertorganisten ist nicht so populär wie beispielsweise die eines Soloviolinisten oder eines Pianisten. Konzertorganisten sind eher bekannt dafür, dass sie bescheiden sind. Oft sieht man sie gar nicht. Sie spielen auf der Empore des Kirchenschiffes. Auch ist es schwierig, als Konzertorganist von seiner Tätigkeit zu leben.
Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Ich war zunächst Pianist und bin erst später, nach der Matura, zur Orgel gekommen. Ich hatte schon während der Gymnasialzeit Konzertauftritte, meist als Begleiter von Sängerinnen. Darunter war auch, was höchst anspruchsvoll ist, eine blinde Sängerin. Auch kammermusikalische Auftritte gab es nach der Matura dann regelmässig. Durch meinen Vater hatte ich den Zugang bekommen. Er war Komponist, und da man auch vom Komponieren allein nicht leben kann, hat er noch Gesangsunterricht erteilt. So hatte ich von Kind an einen Bezug zur Tätigkeit als Korrepetitor und als Begleiter. Es folgten regelmässige Radioaufnahmen für Klaviersolos und anderen Instrumenten mit Ersteinspielungen für Studios in Genf, Basel und Bern.
Wie entdeckten sie die Orgel als Ihr Instrument?
Nach einiger Zeit wurde ich als Rezensent engagiert und bekam einen intensiveren Kontakt zur Orgel. Das Instrument faszinierte mich, und ich beschloss, Orgel zu studieren. Ich hatte das Gefühl, zum Beispiel bei Mendelssohn, dass manche Stücke besser an der Orgel als am Klavier gespielt werden sollten. Ich kam also relativ spät auf die Orgel, dann aber umso intensiver. Ich hatte das Glück, dass schnell tolle Engagements kamen, zum Beispiel in Skandinavien. Besonders in Oslo konnte ich fünf Mal hintereinander auftreten. In verschieden Kirchen Stockholms konnte ich sogar 20 Konzerte geben. Schliesslich habe ich dann schwedisch gelernt. Und so etwas wird in Schweden honoriert. Zuerst ist man skeptisch, aber wenn die Leute merken, dass man sich wirklich interessiert, dann öffnet sich auch ihr Herz. Im Laufe der Jahre habe ich dann Orgelkonzerte in fast allen europäischen Ländern geben. Konzertreisen brachten mich auch auf den amerikanischen Kontinent, nach Neuseeland, Singapur und Hongkong.
Was macht für Sie die Faszination des Orgelspiels aus?
Ganz einfach: die klangliche Vielfalt. Klavier spielt man mit zwei Händen, bei der Orgel hat das Pedal eine selbstständig geführte Stimme, die man mit den Füssen gestaltet. Die ganze Struktur eines Werkes kann ich an der Orgel klanglich viel besser hervorholen. Mein Ideal dabei ist weniger die frühbarocke Orgel, sondern die Orchesterorgel mit ihrer Stimmenvielfalt. Man unterscheidet beim Orgelspielen Labialstimmen, das sind die eigentlichen Flötenstimmen, und dann die Zungenstimmen - gemeint ist die Zunge, wie es sie in einer Klarinette gibt. Die Zungenstimmen sind eher rar, aber sie eignen sich hervorragend zur Gestaltung. Es sind Stimmen wie die des Krummhorns, der Oboe, der Trompete oder im Pedal das Fagott, die Posaune usw. Nicht jede Orgel hat natürlich all diese Zungenstimmen, aber allein schon der Kontrast von Labial- zu Zungenstimmen ist faszinierend.
Wie würden sie die Orgel kurz charakterisieren?
Die Orgel ist schon die Königin der Instrumente.
Eingangs hatten wir über die Popularität eines Konzertorganisten gesprochen. Können Sie von Ihrer Konzerttätigkeit leben?
Der Konzertorganist ist definitiv ein Beruf, von dem man in der Regel kaum allein leben kann.
Man braucht also einen Brotberuf?
Der Beruf des Konzertorganisten muss immer kombiniert werden mit einem anderen Beruf. Viele haben gleichzeitig eine Kirchenstelle. Aber dann sind natürlich die Sonntage belegt und die meisten Konzerte finden am Sonntag statt. Es ist also sehr schwierig, beides unter einem Hut zu bringen. Und das ist nicht ein heutiges Problem. Schon im 19. Jahrhundert waren viele Konzertorganisten als Lehrer tätig. Ich war dies übrigens auch und zwar an der Kantonsschule Zug als Geschichtslehrer. Mit reduziertem Pensum war es ideal für mich. Hinzu kamen die Schulferien, die ich gerade im Sommer und Herbst für Konzertreisen oder längere Tourneen nutzen konnte.
Am nächsten Sonntag geben sie in der reformierten Kirche Zug selbst ein Orgelkonzert. Was darf man erwarten?
Es handelt sich um ein virtuoses Orgelrezital mit Musik ausschliesslich von schweizerischen Komponisten. Dabei steht der Reiz des Neuen im Vordergrund. Die meisten Werke sind nicht sehr bekannt, auch wenn sie selber nicht neu sind, aber sie sind selten zu hören. So erklingen neben Beispielen aus dem Schaffen von Theodor Kirchner und Theophil Forchhammer, eine Toccata über die Glocken des St. Galler Domes von Paul Huber und Heinz Wehrles Vision «Le Rideau Divin». Im Zentrum stehen jedoch die Meisterwerke der beiden Spätromantiker Hans Huber und seine Fantasie nach den Worten der Heiligen Schrift sowie Otto Barblans Passacaglia. Sie sind mit 82 Jahren immer noch äusserst aktiv.
Hat das vielleicht auch etwas mit dem Orgelspiel zu tun?
Tatsächlich ist das Orgelspiel selbst eine gehirnfördernde Tätigkeit. Es beansprucht beide Gehirnhälften, was das Gehirn regeneriert. Ausserdem ist es schon seit langem bekannt, dass das Musizieren das Gehirn anregt, genauso wie ein Sportler seinen Körper trainiert.
Also ist das Orgelspiel ein Jungbrunnen?
Genauso ist es. Nach getaner Arbeit fühlt man sich nicht nur ermüdet, sondern auch glücklich.
Uwe Guntern
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