Chriesisturm
Mit Leitern und Hutten durch die Zuger Altstadt
Roman Keller ist der Leiter Abteilung Jagd und Fischerei im Amt für Wald und Wild des Kantons Zug. Foto: as
Im Ägerisee gibt es heute keine einheimischen Krebsarten mehr. Ein fremder Krebs hat sie verdrängt. Um weitere Katastrophen zu vermeiden, sollen Wassersportler ihre Geräte gründlich reinigen.
Der Kanton fährt zur Zeit eine grosse Kampagne, damit verhindert werden kann, dass gebietsfremde Lebewesen in den Ägerisee eingeschleppt werden. Warum gerade der Ägerisee?
Der Ägerisee hat den Vorteil, dass nur zwei Gemeinden und der Kanton betroffen sind. Das heisst, man kann hier sehr schnell Massnahmen ergreifen. Und im Grossen und Ganzen ist der Ägerisee noch ein intaktes Ökosystem mit vielen einheimischen Arten. Aber auch hier haben sich schon fremde Arten eingeschlichen.
Welche Arten?
Sicher die Wandermuschel, die gibt es im Ägerisee seit den 60er-Jahren. Sie gehört zur gleichen Familie wie die gefürchtete Quaggamuschel, ist zum Glück aber nicht so gefährlich. Daneben gibt es im Ägerisee seit etwa zehn Jahren den Kamberkrebs. Das Problem dabei: Er ist Träger der Krebspest. Ihm selbst kann die Krankheit zwar nichts anhaben, aber für die einheimischen Krebse ist sie zu hundert Prozent tödlich. Heute finden wir im Ägerisee keine einheimischen Krebsarten mehr.
Könnte man die fremden Arten nicht einfach mit natürlichen Feinden bekämpfen?
An den meisten Orten, an denen man so etwas versucht hat, ist es schiefgelaufen. In Australien hat man mal versucht, einen Käfer, der Zuckerrohr befällt, mit einer Kröte zu bekämpfen. Das hat zwar kurzfristig funktioniert, aber weil die Kröte in Australien auch keine natürlichen Feinde hat, hat sich sich explosionsartig verbreitet und wurde selbst zur Plage. Das sind also immer sehr heikle Geschichten, wenn man etwas Fremdes mit etwas bekämpfen möchte, das auch fremd ist. Es gibt zur Zeit Forschungen mit Fadenwürmern, die etwa Nacktschnecken bekämpfen können. Das zielt natürlich vor allem auf die Landwirtschaft, aber könnte vielleicht auch ein Ansatz für Gewässer sein. Allerdings ist man noch nicht so weit.
Müsste man nicht auch an den Zugersee denken?
Ja, natürlich, das ist auch ganz klar unser Ziel. Wir fangen jetzt einfach mit dem Ägerisee an, er ist unser Testobjekt. Hier planen wir jetzt Massnahmen, um die sogenannten Bootswanderungen besser kontrollieren zu können. Und geplant ist dann, dass wir uns im nächsten Jahr den Zugersee vornehmen. Aber wir müssen auch andere Kantone ins Boot holen, wie etwa Luzern oder Schwyz, sowie allfällige Massnahmen mit den Gemeinden und den Anspruchsgruppen besprechen.
Die Kampagne hat den Slogan «Wasch dein Zeug». Ist einfaches Putzen wirklich so wirksam?
Ja, putzen hilft in jedem Fall. Es geht darum, eine Mentalität zu entwickeln, dass wenn man mit irgendwelchen Geräten ins Wasser geht, man sie nachher auch wieder putzt. In Salzwasserregionen ist das völlig normal. Und das müssen wir jetzt auch bei uns zur Routine machen. Und natürlich müssen wir auch Möglichkeiten schaffen, damit man «sein Zeug waschen» kann.
Also Putzplätze am Ufer?
Ja, man muss die Möglichkeit haben, seine Geräte abzuspritzen. Das reicht in den meisten Fällen schon. Und wenn man es noch trocknet, dann wird der Schutz noch besser.
Sie sprechen auch Fischer an. Inwiefern können Fischer zum Problem werden? Die meisten werden ja kaum exotische Aquarientiere als Köderfische benutzen.
Ja, Fischer sind nicht das grösste Problem. Wer im Kanton Zug Köderfische benutzt, um auf Raubfische zu fangen, muss tote Tiere verwenden. Da ist schon eine gewisse Gefahr gebannt. Aber in anderen Kantonen darf man Lebendfische verwenden. Wenn diese dann zum Beispiel im See freigelassen werden, dann kann das schon zu Problemen führen. Es kommt auch vor, dass Aquariumfreunde plötzlich genug von ihrem Hobby haben und das Aquarium dann einfach in einen See leeren. Das ist fahrlässig, denn diese Fischen verenden kläglich oder können sich unkontrolliert entwickeln.
Ein Goldfisch kann eine Gefahr sein?
(Lacht.) Na, ein Goldfisch ist nicht so heikel. Zumindest konnte er sich bis jetzt im Ägeri- und Zugersee nicht etablieren. Aber es gibt andere Fische. Man vermutet, dass der Sonnenbarsch aus einem Aquarium stammt. Und die Kamberkrebse im Ägerisee wahrscheinlich auch. Aber das ist nur eine Vermutung.
Sind denn in der Schweiz schon alle Seen mit fremden Arten «verseucht»?
Ja, bei den grossen Seen kann man davon ausgehen.
Aber wenn ich jetzt nur auf dem Ägerisee Boot fahre, dann sollte das doch kein Problem sein, oder?
Ja, das ist ok. Probleme gibt es bei Wechseln zwischen den Seen. Und oft sieht man die Arten ja nicht von blossem Auge. Das können ganz kleine Larven sein, die im Restwasser des Boots leben. Wenn die in den Ägerisee gelangen, dann kann das schon reichen.
Und was können die Folgen sein?
Dass zum Beispiel einheimische Arten komplett verschwinden, wie die einheimischen Krebse im Ägerisee.
Kann man diese Krebse denn nicht wieder ansiedeln?
Nein, solange sich der Kamberkrebs dort aufhält, ist das nicht möglich. Wir sind momentan auf der Suche nach einheimischen Krebsen, die auf die Krebspest auch eine Resistenz entwickelt haben. Aber der Kamberkrebs bleibt und ist immer ein direkter Konkurrent.
Richtig gefährlich wird es mit der Quaggamuschel. Warum?
Die Quaggamuschel ist bereits im Bodensee und in der Westschweiz. Sie vermehrt sich sehr stark und zwar sowohl im Sommer als auch im Winter. Und sie frisst Plankton, also die Nahrungsgrundlage von Fischen. Sie ist für die Fische also ein direkter Konkurrent. Das kann dazu führen, dass die Fischbestände einbrechen. Dazu kommt, dass die Quaggamuschel praktisch auf jeder Oberfläche anhaften und sich auch türmen kann. Wenn das in Rohren geschieht, werden diese verstopft.
Und wie reinigt man die Rohre?
Die Hauptmethode, um die Quaggamuschel zu entfernen, ist mechanisch. Das heisst, es ist eine sehr aufwendige Arbeit. Das verursacht Kosten und die Leistungen der Werke werden reduziert, das kann das Trinkwasser betreffen oder die Wärmenutzung. Beim Bodensee hat die Quaggamuschel schon Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verursacht. Das geht also ans Portemonnaie. Andererseits hat dies auch dazu geführt, dass man sich auf politischer Ebene auf breiter Basis einig ist, dass man etwas gegen die Einschleppung fremder Arten tun muss. Im Kanton Zug macht sich die WWZ sicher Gedanken darüber, was passiert, wenn die Quaggamuschel kommt.
Müssen sich Badegäste eigentlich auch Gedanken machen?
Es gibt verschiedene Risikogruppen. Wanderboote haben sicher ein sehr hohes Risiko – ein kontaminiertes Boot vom Bodensee könnte schon reichen. Aber auch bei SUP-Paddlern und Tauchern besteht ein gewisses Risiko. Bei Badegästen wäre eine Übertragung nicht unmöglich, aber sie wäre doch sehr unwahrscheinlich. Oft genannt werden auch Wasservögel. Aber auch hier ist nach heutigem Kenntnisstand das Risiko einer Einschleppung eher gering.
Was macht man denn jetzt am Bodensee?
Forschung. Man versucht, die Zusammenhänge zu verstehen. Es herrscht zur Zeit aber auch eine grosse Hilflosigkeit. Immerhin gibt es einen Markt für Menschen mit Erfindergeist, wenn jemand zum Beispiel einen Roboter baut, der die Rohre reinigen kann. Aber das ist immer nur Symptombekämpfung.
Ein ganz blöder Gedanke: Sie propagieren, dass man seine Geräte nach dem Wassersport putzt. Aber wäre es nicht sinnvoller, sie vor dem Wassern zu putzen?
Der Gedanke ist überhaupt nicht blöd, das ist absolut richtig. Gerade für Wanderboote ist es ein absolutes Muss, das Boot vor dem Einwassern zu waschen. Langfristig sollte es aber in der ganzen Schweiz zur Gewohnheit werden, die Geräte nach Verlassen des Gewässers zu putzen. Für die meisten ist es ja auch normal, nach dem Baden zu duschen.
Im Kanton Tessin ist das Waschen von Wanderbooten vor dem Einwassern Pflicht und wird von der Reinigungsstelle mit einem Zertifikat bestätigt. Wäre so etwas nicht auch im Kanton Zug denkbar?
Ja, das haben wir im Kanton Zug auch angeschaut. Das Problem ist, es gibt sehr wenige bediente Waschanlagen im Kanton, die ein Zertifikat ausstellen könnten. Es gibt eine in Steinhausen, aber das wärs dann wohl schon. Wir haben daran gedacht, dass man den Hafen in Oberägeri als Ein- und Auswässerungsweg benutzen könnte. Wir arbeiten jetzt daran, dass man dort eine Waschanlage installieren könnte. Allerdings sind das bauliche Massnahmen, die Investitionen brauchen, das geht nicht von heute auf morgen. Jetzt versuchen wir erst einmal die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren.
Wie sieht das Zielpublikum der Kampagne aus?
In erster Linie die Bevölkerung im Ägerital. Es muss ja im Interesse aller Anwohner sein, ihren eigenen See zu schützen. Wir verteilen Flyer in die Haushalte und hängen Plakate auf. Und machen auch Werbung auf Social Media. Wir glauben auch, dass es eine gewisse soziale Kontrolle braucht. Wenn die Leute sensibilisiert sind, fragt vielleicht mal einer: «Hast du dein Boot gewaschen?» Das darf man nicht unterschätzen. Das hat sicher eine Wirkung.
Ist die Einschleppung fremder Arten eigentlich ein Schweizer Problem oder gibt es das andernorts auch?
Nein, das ist ein globales Problem. Amerika erlebt zur Zeit ein ökologisches Desaster. Dort verursacht die Quaggamuschel Schäden in Milliardenhöhe.
Andy Stauber
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