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«Ich erzähle die Postgeschichte des Kantons Zug», sagt Stefan Sägesser. Fotos: zvg
Briefmarken sammeln ist etwas für Langweiler? – Von wegen! Für den Zuger Stefan Sägesser ist es eine Auseinandersetzung mit der Geschichte.
Wie kommt man als Zuger Briefmarkensammler an eine Weltausstellung?
Man muss sich immer wieder qualifizieren. Zuerst auf verschiedenen nationalen Stufen, dann in einem internationalen Rahmen.
Wie wird denn eine Sammlung bewertet?
Dafür gibt es ein Wertungssystem mit maximal 100 Punkten. Die Sammlungen werden dabei nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Zum Beispiel nach der Bedeutung, der Seltenheit, wie gut die Exponate erhalten sind oder wie sie ausgestellt werden. Wenn man sich qualifizieren möchte, braucht man mindestens 80 Punkte.
Freust du dich auf die Weltausstellung?
Natürlich. Es ist ein sehr spezieller Anlass. Nach über 50 Jahren findet ein solcher Anlass erstmals wieder in der Schweiz statt. An der Weltausstellung mit dem Namen «Helvetia 22» werden 500 Sammlungen aus 50 Ländern gezeigt.
Was ist dein Spezialgebiet?
Ich erzähle die Postgeschichte des Kantons Zug von 1700 bis 1900. Zu dieser Zeit war Zug noch nicht der reiche Kanton, der er heute ist, sondern armengenössisch. Das heisst, es gibt ganz wenige postalische Belege. Das macht meine Sammlung besonders. Ich musste auch viel Geld dafür investieren.
Was muss ich unter «viel Geld» verstehen?
Darüber reden wir Philatelisten nicht gerne. Aber die Sammlung, die ich in Lugano zeige, ist mit einem Wert von über einer Viertelmillion versichert.
Krass.
Ja, das klingt nach viel, aber an der Ausstellung werden Formate gezeigt, da bin ich ein Nichts dagegen. Die Sammlung über die postalische Geschichte von Mauritius hat einen Wert von 2,5 Millionen Franken.
Warum der Kanton Zug?
Weil der Kanton eine sehr interessante Postgeschichte hat. Früher lief der Handel ja fast ausschliesslich über den Zugersee, auch die Touristen, die auf die Rigi wollten, reisten über den See. Aus dieser Zeit gibt es den Zugerseestempel, der ist weltweit einzigartig. Und dann ab 1864 kam die Bahnlinie und die Postkutschen gerieten ins Hintertreffen.
Was war deine erste Zuger Briefmarke?
Das war eine blaue Rayon. Sie steht für den ersten Briefkreis von 1850 bis 1858 von Zug nach Oberägeri.
Ich frage, weil ich herausfinden möchte, wie man zu diesem Hobby kommt. Was hast du als nächstes gemacht?
Ich ging dann ins Internet und gab zum Beispiel auf Ricardo «Brief», «Briefmarke» und Zug ein. Da habe ich einen Brief von Zug nach Arth gefunden. Der war insofern speziell, als dass es vor 1850 keine Briefmarken gab. Und dann wollte ich natürlich einen Brief von Arth nach Zug haben – also in der Gegenrichtung. So fing das an. Und dann hat mich in Zug vor allem die ganze Zurlaubengeschichte fasziniert. Die Familie hat ja bis 1800 den ganzen Zuger Handel beeinflusst. Das wollte ich postalisch erfassen.
Das heisst, es geht nicht nur um Briefmarken, sondern auch um Briefe?
Es geht um Geschichte.
Kommt es dabei darauf an, wer den Brief geschrieben hat?
Ja, das ist extrem wichtig.
Kannst du die Briefe auch lesen?
Ja, mittlerweile kann ich das, ich habe es gelernt. Seit dem 1. April habe ich mich selbständig gemacht und es gibt oft einen Kunden, für den ich einen Brief entziffern muss.
Also eigentlich bist du mehr Historiker als Sammler?
Ja, bei mir gibt es einige, die sagen, ich gehe mehr ins Historische. Beim Ferienpass zum Beispiel erkläre ich die Philatelie auch Kindern.
Bist du verheiratet?
Ja.
Was sagt deine Frau dazu, dass du so viel Geld für Briefmarken ausgibst?
Grösstenteils finanziere ich mein Hobby aus dem Handel mit Briefmarken.
Das heisst, du kaufst auch Marken, nur um sie wieder weiterzuverkaufen.
Ja, ich bin seit Jahren am Diversifizieren. Die Dividenden aus meinen Aktien fliessen etwa in die Philatelie. Für mich ist es eine Investition.
Aber zum Teil doch auch Spekulation?
Wer Briefmarken zum Spekulieren sammelt, ist am falschen Ort, der verpasst einiges. Für mich ist es ein Zeitvertreib, der mir viel Freude bereitet. Andere trinken am Stammtisch Bier. Ich habe auch schon Leuten gesagt: «Okay, du bist im Schiessverein und verballerst für Tausende Franken Munition. Ich sammle für dieses Geld Briefmarken.» Ich bin ja auch seit zehn Jahren Präsident des Philatelistenvereins Zug. In dieser Zeit konnte ich 40 neue Mitglieder anwerben.
Habt ihr auch Frauen im Verein?
Ja, wir haben acht Frauen. Bemerkenswerterweise sammeln Frauen eher Motive, also etwa Hühner oder Fische. Bei den Männern geht es oft um Geschichte.
An der Weltausstellung gibt es ja auch Titel in acht Kategorien zu gewinnen. Rechnest du dir Chancen aus?
Nein, eigentlich nicht. Für mich ist schon die Qualifikation ein Erfolg. Und man muss schon sehen: Was ich für mein Hobby finanziell ausgebe, ist im internationalen Vergleich Peanuts. Um ganz vorne dabei zu sein, muss man viel mehr Geld investieren. Mir geht es einfach um den Plausch. Und für den Kanton Zug möchte ich gern das Geschichtsbuch neu definieren.
Was meinst du mit «definieren»?
Na, die Postgeschichte des Kantons Zug mit reinnehmen. Die Postgeschichte wird heute ja im Unterricht überhaupt nicht thematisiert. Wenn ich mit Kantons- oder Sekschülern rede, entstehen immer wieder spannende Gespräche. Das möchte ich weitergeben.
Du möchtest also zwei, drei Seiten im Geschichtsbuch der Postgeschichte des Kantons Zug widmen?
Zum Beispiel, ja. Und wenn ich in Lugano einigermassen erfolgreich bin, dann möchte ich auch ein eigenes Buch veröffentlichen.
Die Weltausstellung der Philatelie «Helvetia 22» findet vom 18. bis am 22. Mai in Lugano statt. Mehr Infos: www.philatelistenverein-zug.chwww.briefmarken-zug.ch
Andy Stauber
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